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Periode, der Jahreszeit und den einzelnen Luftströmen, deren Einfluss in der genannten Reihenfolge an Mächtigkeit und Dauer abnimmt, in umgekehrter aber an Intensität der Wirkung. 3. Der Einfluss der Wärme erzeugenden Factoren wird erhöht, wenn zwei oder alle drei gemeinschaftlich wirken, erniedrigt oder aufgehoben, wenn zwei oder einer gleichzeitig den andern entgegen wirken. 4. Die steigende Wärme vermehrt den Faserstoff und erhöht die Reflexthätigkeiten, bedingt Hyperdynamie; die sinkende Wärme vermindert den Faserstoff und die Lebhaftigkeit der Reflexthätigkeiten und bedingt Adynamic. 5. In Folge der Cultur entstehende Ungleichheiten unter den Menschen entsprechen ihrem Wesen nach den Einwirkungen erhöhter oder erniedrigter Lufttemperatur und werden daher durch eine erhöhte oder verminderte Wärme vergrössert. 6. Die dem Organismus eigenen Kräfte sind im Stande, die Wirkungen der erhöhten oder verminderten Wärme auszugleichen, werden aber durch die Luftfeuchtigkeit davon abgehalten, wodurch dann bei Einwirkung anderer Gelegenheitsursachen Krankheiten entstehen. Unter den Ueberwallungen bei Zu- oder Abnahme der Temperatur erzeugen sich Krankheiten am leichtesten, was mit der eintretenden Rückläufigkeit der Ströme wieder aufhört. 7. Bei steigender Wärme mit Ueberwallungen entstehen Krankheiten der Lunge, bei abnehmender Wärme mit Ueberwallungen Krankheiten der gastrischen Organe; die ersteren vorzüglich in der zunehmenden und warmeu Periode, die letzteren in der abnehmenden und kalten. 8. Aus der combinirten Wirkung der Perioden, Jahreszeit und Luftströmung, aus dem Wechsel derselben, aus der Mächtigkeit eines Stromes und seinem Verhältnisse zur Jahreszeit und Periode, aus dem Hin- und Herschwanken zwischen starker und schwacher Ueberwallung gehen alle Verschiedenheiten der epidemischen wie der sporadischen Krankheiten, ihr Auftreten, ihre Ausbreitung und ihr Verlauf hervor. 9. Es combiniren sich so zwar einfache, aber einer grossen Mannichfaltigkeit der Verhältnisse in Bezug auf Stärke und Dauer fähige Ursachen, dass es niemals möglich sein wird, die Wirkungen derselben im Voraus zu berechnen. Der ungefähre Verlauf der Wärmeperioden und Stauungen bietet bis jetzt den einzigen Stützpunct für eine Prognose.

[12] Das Accommodationsvermögen der Augen. Nach Dr. A. Cramer zu Groningen u. Prof. Donders zu Utrecht. Von Dr. C. H. Schauenburg, Docent an der Univ. zu Bonn. Mit [3] Abbildd. Lahr, Geiger. 1854. 55 S. gr. 8. (n. 10 Ngr.)

Der Vf., schon durch frühere Arbeiten (namentlich über den Augenspiegel) im Gebiete der Ophthalmologie nicht unvortheilhaft bekannt obschon mehr als Reproducent, wie als selbstständiger Producent giebt hier die ,,Bearbeitung" einer von der holländischen Gesellschaft für Wissenschaften zu Harlem gekrönten Preisschrift des Dr. A. Cramer über,,Grund und Ursache des Accommodationsvermögens der Augen;" Prof. Donders in Utrecht hatte ausserdem Gelegenheit genommen, der Schrift zahlreiche Erörterungen

1855. I.

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und Vervollständigungen angedeihen zu lassen, was derselbe auch ohne die ertheilte goldene Medaille schon hinreichend als Empfehlung dienen würde. Hr. Sch. hat nun diese Arbeiten für das deutsche ärztliche Publicum abermals,,bearbeitet," indem er sich bei dem Interesse des Gegenstandes dazu vollkommen berechtigt glaubte. So dankbar wir dem Vf. für diese Fürsorge sein müssen, so hätten wir doch gewünscht, dass er entweder eine blosse, leicht verständliche Uebersetzung geliefert, oder, da er sich nun einmal zu einer,,Bearbeitung" berufen fühlte, seine Ansichten und Urtheile nicht den Originalen in unbestimmter Weise eingewebt, sondern erstere in besonderen Noten in Parenthesen als beliebige Zukost beigegeben hätte. Bei einer Untersuchung wie die vorliegende ist, kommt es darauf an, derselben Schritt für Schritt genau zu folgen und selbst zu prüfen; vorurtheilsfrei muss man zu einem Gesammtüberblick über den Gang und das Ganze der Untersuchung gelangen', was eben nur durch das Original selbst geschehen kann; da dieses aber, sowie die Sprache in der es verfasst, nur den wenigsten deutschen Aerzten zugänglich sein dürfte, so wäre eine einfache Uebersetzung unserer Ansicht nach das Beste und Verdienstvollste gewesen. Wodurch das Accommodationsvermögen der Augen zu Stande komme, ist bekanntlich seit langer Zeit der Gegenstand vieler Forschungen und Erklärungen gewesen. Cr's. Erklärung ist im Grunde nicht neu, wohl aber zum Theil die Art seiner Untersuchung und die Begründung seiner Ansicht. Die Accommodation geschieht nach ihm durch eine Formveränderung (grössere Hervorwölbung) der vorderen Linsenfläche. Er beweist dieselbe durch die Form- und Platzveränderung des von der vorderen Linsenfläche reflectirten Bildes [beim Sançonschen Versuch], wie er sie vermittelst eines von ihm construirten Instrumentes (Ophthalmoskop) beim Sehen in der Nähe und Ferne beobachtete. Die hintere Fläche der Linse verändert sich dabei weder hinsichtlich der Stelle noch der Wölbung (?), wie in ähnlicher Weise auch Helmholtz bestätigt. Die Gesichtsaxe soll bei der Accommodation für die Nähe nicht verändert werden. Der Accommodationszustand für die Ferne gilt als das natürliche Verhalten des Auges. Die Krystallinse besitzt keine Contractilität. Die Untersuchung von Seehundsaugen deren Accommodationsvermögen bekanntlich sehr gross ist 'unter dem Mikroskop und die Beobachtung der Stellung des Bildes in denselben bei Einwirkung eines electromagnetischen Drahtes auf den seitlichen Theil der Cornea führten den Verfasser zu der Folgerung, dass der Eintritt einer stärkeren Krümmung der vorderen Fläche der Linse durch eine Wirkung der Iris zu Stande komme. Letztere übt bei Verengerung der Pupille einen Druck auf die in ihrer Concavität gelegenen Theile, die Linse kann nicht nach hinten ausweichen, es muss desshalb eine Wölbung der vorderen weicheren Linsenfläche eintreten. Diese Erklärung des Mechanismus der Accommodation setzt aber zuvörderst ein Ruben der Iris auf der Linse und das Nicht

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vorhandensein einer hinteren Angenkammer voraus. Cr. glaubt dies

bewiesen zu haben; eine hintere Augenkammer existirt jedoch, wenn auch nicht in der in den anatomischen Handbüchern beschriebenen Weise. Crs. Erklärung hat indess noch andere Schwächen, die der Vf, zum Theil selbst gefühlt und abzuweisen versucht hat. Zuvörderst spricht gegen die Art des Zustandekommens der Accommodation auf die eben beschriebene Weise die unbestreitbare Thatsache, dass nach Entfernung der Linse (Extraction) das Accommodationsvermögen fortbestehen kann. Wenn man diese Klippe durch die Annahme einer halbkugeligen Vorwölbung der schüsselförmigen Grube des Corp. vitreum zu umschiffen gesucht hat, so hat man hiermit den Boden der anatomischen Thatsachen verlassen. Das zurückbleibende Accommodationsvermögen nach Cataractoperation kann und muss (trotz des Donderschen Veto) der Cramerschen Theorie gefährlich werden. Anderweite Gefahren drohen aber dieser Theorie auch aus dem Vorhandensein von Accommodation bei totaler oder partieller Synechie, sowie aus der durch zahlreiche Untersuchungen constatirten Vergrösserung der vorderen Augenkammer bei Kurzsichtigen; diese müssten doch durch die grössere Vorwölbung der vorderen Linsenfläche eine kleinere vordere Augenkammer besitzen, zumal ihre Cornea trotz der bisher geltenden Annahme keine anomale Vorwölbang zeigt. Jedenfalls kommt das Accommodationsvermögen der Augen durch das Zusammenwirken verschiedener Einflüsse zu Stande, wobei die Wirkung der Augenmuskeln (mm. recti) auf den compressibeln Bulbus, so wie der tensor choroid. nicht die letzte Rolle zu spielen scheinen.

[13] Ueber die Heilung der Blasenscheidenfisteln. Beurtheilung der Opération autoplastique par glissement von Jobert (de Lamballe) in Paris. Neue Methode der Naht, die Dopelnaht, zur Vereinigung der Fistelränder. Von Dr. Gust. Simon in Darmstadt. Giessen, Heinemann. (Heyers Univ. Buchh.) 1854. III u. 60 S. gr. 8. (n. 12 Ngr.)

Der Vf., bekannt durch seine im J. 1849 erschienene Schrift über die Schusswunden, giebt hier zuvörderst eine Beurtheilung des Jobert'schen Operationsverfahrens, theilt dann eine wesentliche, von ihm begründete Verbesserung desselben mit, beweist die Ausführbarkeit und den Werth derselben, durch Erzählung mehrerer Krankheitsfälle mit günstigem Ausgange und fügt dem Ganzen einige anatomisch and physiologisch interessante Beobachtungen an. Das eigentlich nur in seiner Zusammensetzung und Ausbildung als neu zu betrachtende, nach des Vfs. Ueberzeugung in seinen Einzelnheiten weder genügend gekannte noch gewürdigte Jobert'sche Operationsverfahren, besteht zuvörderst in möglichst weiter Herabziehung des Uterus mit Hilfe der Museux'schen Hakenzangen, einem vorzüglich wichtigen Theile des ganzen Actes, dann in Hervordrängung der Fistel durch den in die Blase eingebrachten Katheter und breiter, trichterförmiger, meist in querer Richtung vorzunehmender Abschneidung der Fistelränder, welchem Verfahren der Vf. seine volle Zustimmung ertheilt, 3) in Anlegung der Nähte -1 Centim. vom Fistelrande ent

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fernt, welche Vorschrift der Vf. wegen des fatalen Ausreissens der Stichöffnungen zwar vollkommen billigt, jedoch in Berücksichtigung der oft unvollkommenen Schliessung der Wundflächen für mangelhaft erklären muss und 4) in Seitenschnitten, nach der bekannten Dieffenbachschen Methode, welche durch Verschiebung (par glissement) der die Fistel umgebenden Theile, hauptsächlich der Scheidenschleimhaut, die Spannung heben und dadurch ein Haupthinderniss der Vereinigung der Ränder beseitigen sollen. Diese Schnitte, auf welche J. einen vorzüglichen Werth legt, besitzen einen solchen, nach des Vfs. vielfachen, an Lebenden wie an Leichen angestellten Versuchen nur in sehr untergordnetem Grade. Der einzige Schnitt, welcher bei quer verlaufenden Fisteln wirklichen Werth haben kann, ist für den Vf. der sogen. Jobert'sche Schuitt [Trennung des Vaginalgewölbes und mithin der Blase von der vordern Seite des Muttermundes und Mutterhalses bis zur Plica vesico-uterina des Bauchfells], doch ist der dadurch erlangte Vortheil bei Weitem nicht so bedeutend, als ibn J. darstellte. Der 5. Act ist die schon vor J. allgemein gewesene Einführung des Katheters in die Blase und das Belassen desselben in dieser bis zur Heilung der Fistel, für dessen Nutzen der Augenschein spricht. Die erwähnten Mängel der Jobert'schen Methode werden durch des Vfs. Vervollkommnung derselben aufgehoben. Diese besteht in Anlegung einer doppelten Nahtreihe, einer engern, zu möglichst genauer Vereinigung der Schnittflächen und einer 1-2 Centim. von der letztern entfernt liegenden, nach Befinden den Uterus und den Harnröhrentheil der Blase mit fassenden, zu Sicherung der ersten und möglichsten Annäherung der Weichtheile, vornehmlich bei Fisteln mit bedeutendem Substanzverlust. Die Zahl der Nähte in jeder Reihe beschränkt sich auf 2-3. Die zum Beleg mitgetheilten Krankheitsgeschichten betreffen zwei Operationen von Dr. Tenner in Darmstadt ausgeführt und 4 durch die Hand des Vfs. Sie zeigen nebenbei unglückliche Erfolge nach der Befolgung der Jobert'schen Vorschriften [durch Ausreissen der Nähte], die erst durch Anlegung der Doppelnaht reparirt wurden. Letztere ist jedoch bei kleinen Fisteln, die unter Sechskreuzerstücksgrösse sind, nicht unbedingt erforderlich. Ueber die anderweitigen Indicationen zur Operation und Modificationen derselben verweisen wir auf die Schrift selbst. Das Verhältniss des Haruleiter zur Blasenscheidenfistel und deren Operation war bisher noch nicht genau genug berücksichtigt worden und veranlasste den Vf. zu vergleichenden Untersuchungen an einem normalen und einem pathologischen Präparate. Er kam zu der Ueberzeugung, dass infolge der veränderten örtlichen Verhältnisse bei Operation der Blasenscheidenfistela eine Verletzung, ja ein Einnähen der Harnleiter oft nicht zu vermeiden und gewiss schon mehrfach vorgekommen sei, jedoch noch keine wesentlichen Nachtheile zur Folge gehabt habe. Es lasse sich dieser Uebelstand auch leicht umgehen (S. 55). Die in der Regel bei alten Fisteln sehr eingeschrumpfte Harnblase dehnt sich merkürdig schnell wieder aus und verliert auch bei eingenähten Uterin

theilen nicht an ihrer Contractilität. Die 4. Operation musste der Vf. während der Menstruation verrichten, die 5. wenig Tage vor dem Eintreten derselben. In keinem Falle wurden nachtheilige Folgen bemerkt. Eben so wenig sah der Vf. wie früher schon Jobert einen Nachtheil, wenn die Menstruation noch bei Einheilung des Muttermundes in die Blase durch letztere ihren Weg nahm. Nachträglich erwähnt der Vf. noch 3 von Roser in Marburg operirte Falle, wo, ohne Seitenschnitte, schon am 4. Tage günstige Heilung der Fistela erfolgt war.

Naturwissenschaften.

[14] Mikrogeologie. Das Erden und Felsen schaffende Wirken des unsichtbar kleinen selbstständigen Lebens auf der Erde. Von Dr. Chr. Gfr. Ehrenberg, Dr. u. Prof. der Med. u. beständ. Sekret. der Akad. d. Wiss. zu Berlin. Leipzig, Voss. 1854. XXVIII u. 374 S. m. 41 zum Thl. col. Kupfertaf., 31 S. Inhalt u. 25 Bog. erläut. Text. Imp. Fol. (baar n. 72 Thlr.)

Eine der grossartigsten und werthvollsten literarischen Unternehmungen der Neuzeit ist vor Kurzem in dem vorstehend genannten Werke in die Oeffentlichkeit ausgegangen, ein Werk, das über die Verhältnisse unserer Erde sowohl in Bezug auf die festen Bestandtheile der Gebirgsmassen, wie rücksichtlich der Atmosphäre die wichtigsten Aufklärungen enthält. Sie sind das Resultat vieljähriger mühsamer Forschungen und geben einen Ueberblick der unsichtbar kleinen, Erden und Steine bildenden Lebensformen und ihres grossen Einflusses auf die Oberfläche, das Culturland, den Meeresboden, die Atmosphäre und die festen Gebirgsmassen, die Oberfläche und das tiefe Innere aller Länder der Erde. Nicht physikalische Kräfte allein sind es, welche die Gestaltung der Erde bedingen, das mikroskopische Leben hat den wesentlichsten Antheil daran. Dies sind die Thatsachen in kurzen Worten ausgedrückt, die hier näher erörtert werden und denen man, bei aufmerksamer und vorurtheilsfreier Berücksichtigung des reichhaltigen hier vorliegenden Materials seine Zustimmung nicht versagen kann. Das im Jahre 1838 in demselben Verlag erschienene Werk: „, Die Infusionsthierchen als vollendete Organismen. Ein Blick in das tiefere organ. Leben der Natur. Mit 64 col. Kpfrtaf." (n. 90 Thlr.) bildet gleichsam die Einleitung zu dem gegenwärtigen. Jenes war die Physiologie des mikroskopischen Lebens, das die Organisation und Systematik der Formen, die Gesetze der kaum begreiflichen Vermehrungsfähigkeit u. s. w. erläuterte; das gegenwärtige ist die praktische Anwendung des Erörterten. Es erläutert den Antheil des mikroskopischen Lebens an der Bildung von ausgedehnten Erden und Felsmassen in allen Epochen, von der Kreide an bis zu den untersilurischen Gebirgen, das Polarleben, das Leben der höchsten Alpenspitzen, der Atmosphäre über den Alpen so wie des tiefen Meeresgrundes bis zu 12,000 Fuss; es liefert unter andern sogar den Beweis, dass viele vulkanische Auswürflinge

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